Mittwoch, 7. März 2018

Pöbel MC & Milli Dace - Soli-Inkasso

Milli und Pöbel. Foto: Louise Amelie
(ms) Wo genau ist im Rap nun der Unterschied zwischen Mixtape und Album? Da wir nicht sooo tief in der Rap-Szene aktiv sind, können wir das auch nicht wirklich beantworten und halten die Unterscheidung auch eigentlich für obsolet. Die gemeinsame Scheibe (oder viel schöner halt auf Vinyl) von Pöbel MC und Milli Dance kann beides sein.
Diesen Freitag erscheint Soli-Inkasso bei den werten Damen und Herren von Audiolith und ist ein weiteres Ausrufezeichen der Rostocker, die schon oft vorher gemeinsam Texte und Beats gebastelt haben. Milli Dance ist MC und Flow-Aushängeschild der von uns sehr geschätzen Crew Waving The Guns. Pöbel MC kommt ebenfalls aus dem hohen Nordosten. Gemeinsam haben sie schon Armutszeugnis, Es war nicht alles schlecht oder Tageslicht auf den WTG-Alben zu Werke gebracht.
In den letzten Jahren waren sie auf vielen Touren und Festivalgigs zusammen auf der Bühne. Daher wundert diese Kollaboration nicht wirklich, freut aber umso mehr. Und um eine der wichtigsten Fragen direkt zu Beginn zu beantworten: Ja, WTG machen weiterhin zu viert weiter.

Auf den elf Tracks haben sieben verschiedene Akteure den jeweiligen Beat beigesteuert, die immer wieder mit Samples arbeiten. Daher ist das Album von außen gesehen schon extrem abwechslungsreich. Mal ruhig, mal textlastig und nicht zu wenig, um tanzen, pöbeln, moshen zu gehen. Politisch geht es oft zu und das auch deutlich ohne sich mit jeder linken These gemein zu machen. Neben vielen ernsten Zeilen zum Zeit- und Gesellschaftsgeschehen ist es erfrischend und unterhaltsam, dass sie sich für einen billigen Kalauer auch nicht zu schade sind. Hey, was solls. Der Rap-Thron wird gar nicht beansprucht, dann muss man auch nicht so tun als ob.

Pöbel & Dance macht direkt zu Beginn deutlich, worum es geht. Nicht immer um viel und dass es völlig okay ist, sich mal komplett wegzuballern, Eskapismus ist hier unbedingt gewollt.
Im Vergleich zu ihren vorherigen, eigenständigen Veröffentlichungen, geht es hier häufiger um die Rap-Szene an sich. Loseroptik, DWDCS, Sososo und Abgesang machen ihre Haltung zum großen Rap-Kosmos deutlich: Klischees, die man bedient, kann man auch mal hinterfragen. Das ist nicht nur einfach so richtig, sondern - ganz ohne Ironie - verdammt gutes Material für soziologische Untersuchungen. Die ganzen Pseudo-Auseinandersetzungen zwischen Rapper X und Rapper Y sind nichts anderes als postpubertäres Rumeiern auf flachen Beats mit achsokrasser Grundattitüde. Da wundert es nicht, dass sie immer wieder gern den Job von Rooz kritisch in die Mangel nehmen.

Zwei Songs der äußerst stabilen Platte sind zudem erwähnenswert. Das ist zum Einen Aufbruchstimmung, der Beat stammt von WTGs Dub Dylan. Man kann auch behaupten, dass es das Herzstück vom Release ist. Es geht um gesellschaftliche Ausgrenzung und dass Aggression und Ausschluss nicht immer von denen kommt, bei denen man es sowieso erwartet. Stark: endlich mal keine simplen Fick-die-AfD-Zeilen, sondern kluger Text mit dunklem Beat: Es marschiert nicht, sondern sickert ein. Die große Herausforderung im aktuellen im weitesten Sinne auch als politisch zu bezeichnendem Rap ist ein geschickter Umgang mit den Zeichen der Zeit. Das hier ist ein Paradebeispiel!
Zum Anderen ist Robomob ein starker Track, weil mit dem harten Beat von Pöbel MC selbst kaum zu erwarten. Große Empfehlung: Das Sample vom Anfang auswendig lernen. Denn die nächste intellektuelle Hürde für Rap ist, dass er etwas erklären muss. Nein, muss er nicht. Und das machen Milli Dance und Pöbel MC im Refrain mehr als deutlich. Auch sie haben nicht alles verstanden; immer schön auf dem Boden bleiben ist also die Nachricht.
Wir gönnen Soli-Inkasso, dass es im HipHop hierzulande breit aufgenommen und rezipiert wird. Als Außenstehender habe ich immer das Gefühl, dass dies beim Zecken-Rap nicht so recht geschieht.

Die beiden gehen demnächst hier auf Tour.
Aufgrund von persönlicher Erfahrung von WTG-Konzerten mit Pöbel MC und deren Wucht ist ein Besuch aufs Wärmste ans Herz zu legen!

09.03.2018 Berlin - Musik&Frieden
10.03.2018 Wiesbaden - Tapefabrik
07.04.2018 Köln - AZ
20.04.2018 Vechta - Gulfhaus
21.04.2018 Schwerin - Komplex
22.03.2018 Hamburg - Hafenklang
23.03.2018 Magdeburg - Knast
24.03.2018 Leipzig - IfZ
27.04.2018 Oberhausen - Druckluft
28.04.2018 Schwäbisch Gmünd - Esperanza
29.04.2018 München - Sunny Red
04.05.2018 Lüneburg - Anna & Arthur





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