Freitag, 6. Oktober 2017

Wanda - alles andere als "Niente"!


Bild: Wolfgang Sehofer (Universal Music)

(mb) Die neuen Austropop-Helden WANDA veröffentlichen an diesem Freitag ihr drittes Studioalbum „Niente“. Eine Band, die so schnell gehyped wurde, dass es ihr selbst wohl schon unheimlich war. Nicht nur die Heavy Rotations auf den Radiosender, auch die ekstatische Performance auf der Bühne sprach sich schnell herum. Jeder hörte es, jeder wollte und will die Wiener sehen. Die Band ist quasi fast ununterbrochen drei Jahre lang unterwegs gewesen. Das spiegelt sich auch im neuen Album „Niente“ sehr stark wider.

Der neue Longplayer ist äußerst selbst referentiell und spielt sich – augenscheinlich – in der Zeit vor dem ersten Album ab. Es ist ein Konzeptalbum, das musikalisch mit größeren, ja fast opulenten Arrangements garniert wurde, die dem Sound merklich guttun. Am Klang erkennt man WANDA dennoch sofort wieder. Wenngleich weniger rotzig, dafür orchestrierter und aufgeräumter. Die textliche Verschrobenheit ist auch nichts Neues, Sänger Marco Wanda überlässt die Deutungshoheit seit jeher dem Hörer. Natürlich angenehm Wienerisch singt er so daher - um einen Referenzrahmen beim Hörer zu stiften und um Metaphern vergangener Erinnerungen zu kreieren.
Aber in Wahrheit ist die Platte eine düstere Konsequenz der letzten Jahre. Ein Erklärungsversuch.

„Niente“ eröffnet mit „Weiter, Weiter“. Ein Stück, ganz typisch orchestriert, handelt vom getriebenen Gegenwarts-Ich, welches auf der Suche nach der Unbekümmertheit vergangener Tage ist. Man nehme die Zeile „immer brauch ich mehr und mehr, immer leichter wird es schwer und schwer“. Die Angst wird größer – „alles wirft mich aus der Bahn“. In der Hoffnung, dass das alltägliche Hetzen bald ein Ende hat und man aus dem Hamsterrad raus kann – „vielleicht dauert´s nimmer lang, vielleicht fängt es von vorne an, irgendwann“.

Bild: Universal Music
Anschließend nehmen die beiden sehr soliden Single-Auskopplungen „Columbo“ und „0043“ einen Platz ein, die die Sehnsucht an vergangene Kindheitserinnerungen wieder aufleben lassen. Mit „Lieb sein“ folgt ein nerviger, völliger unnötiger Track, der mit der kindlich gesungenen Art einfach herausradiert gehört. In „Wenn du schläfst“ wird die Vergänglichkeit thematisiert, die glücklichen Momente zuhause - damals und jetzt. Das Ganze wird kontrastiert vom ständigen getrieben sein „oh wieso geht’s immer weiter“.

Textlich verankert man sich anschließend in der Adoleszenz. Die Themen kreisen um Jugend, Liebe und das sorglose Umhertreiben. Mit „Lascia mi fare“ findet sich auch definitiv ein Hit, kein „Bologna“, aber derart eingängig arrangiert und unbeschwert.

In das „Ende der Kindheit“ wird das ernste, steife und zum Teil auch falsche Auftreten der Erwachsenen diskreditiert, ohne es jemals in den Mund zu nehmen. Wie fast bei jedem Song, schwingt hier die Bedeutung zwischen den Zeilen.

Mit „Cafe Kreisky“ spielen WANDA mit dem Gefühl der Veränderung und Auseinanderlebens, während sie in „Einfacher Bua“ Unsicherheit und die Illusion des Heranwachsendens darstellen, um sich dann für die ästhetische Selbstverwirklichung und gegen das verantwortungsbewusste, konforme Handeln entscheiden. Es scheint fast so, als hätte man für den Moment seinen Frieden mit sich und seinen Entscheidungen gemacht.

„Ein letztes Wienerlied“ steht in guter Gesellschaft zum Kanon der existierenden Wienerlieder, mit der Bitte um Aufnahme in diesen. Der Track fällt komplett aus dem Rahmen, ist durch den prominenten Einsatz des Pianos und des kunstvollen Gesangs fast schon avantgardistisch - und dadurch im klaren Widerspruch zu sonstigen WANDA Seligkeit Scharmützel.

Das Album endet plakativ mit dem Titel „Ich sterbe“. Zum wiederholten Male bleibt hier wieder das Ungesagte wichtig. Die Zeile „Alle Häuser haben etwas Weißes an“, hat etwas Unbeflecktes, Reines. Die Band war unentwegt unterwegs, das zehrt an den Kräften des Gegenwarts-Ich. Man versucht den dionysischen Lebensstil, die Sünden der schweiß- und alkoholgetränkten Abende abzuschütteln. „Mein Herz aus Marzipan fängt zu brennen an“ bestätigt den reinen Kern, der schauderhaft verkommt. Man kann nur hoffen, dass die fünf Wiener noch nicht genug haben.  Aber ist es nicht bequem, schöne Menschen anschauen zu gehen“ ist ein stummer Schrei danach, mal nicht im Mittelpunkt zu stehen, sondern sich passiv und lustvoll dem Geschehen hinzugeben. Einfach mal ungestört durchatmen zu können.

Also wie ist das neue WANDA Album dann?

Für mich ist es die persönlichste, ehrlichste und verletzlichste Platte, die WANDA mit „Niente“ geschaffen haben. Das Konzeptalbum wirkt stringent, authentisch (es war sonst schon sehr viel Pathos im Spiel) und genügsam. Es ist ihr bisher stärkstes Album.
Bleibt zu hoffen, dass sie weiterhin Bock auf den Trubel haben.

So leid es mir tut WANDA, aber ihr seid musikalisch und textlich definitiv erwachsen geworden.

 


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