Freitag, 16. Mai 2014

Kobito - die Kombination aus Bild und Ton macht die Musik!



(sf) Quizduell:

Welcher der folgenden vier Begriffe bezeichnet einen Musiker?

A) Zalando
B) Tirendo
C) Kobito
D) Vapiano 




Die Lösung ist natürlich und Gott sei Dank C und um gleich es gleich mal klarzustellen: Kobito folgt bei seiner Namensgebung keinesfalls dem hirnrissigen Trend, unbedingt auf „o“ enden zu müssen, sondern leitet sich aus „Kombination aus Bild und Ton“ ab. Klingt nach großer Kunst und, nun ja,  ist es auch…

Wer oder was ist denn nun aber dieser Kobito?

Ich höre gerne deutschsprachigen Hip Hop. Die Zeit, in der ich mich intensiv damit beschäftigt habe, liegt jedoch 15 Jahre zurück.  Leider war Kobito somit bislang ein unbeschriebenes Blatt für mich, als ich eher zufällig an „Blaupausen“, das neue Album, das im Juni erscheinen wird, geriet. Ein Durchhören später war das Interesse geweckt und dank Youtube und dem wieder mal sehr aufmerksamen Audiolith-Label war ich schlauer.


1986 wurde der Blondschopf in Bayern geboren, doch lange hielt er sich während seiner Kindheit nie an ein und demselben Ort auf. Seine Mutter war Schauspielerin und musste viel umherreisen. So ist er teilweise bei seinen Tanten im Rheinland, dann wieder im Intercity-Express auf dem Weg nach Polen oder Jugoslawien und anderswo aufgewachsen.
Doch im Alter von vier Jahren hatte die Rastlosigkeit dann ein Ende. Seine Mutter zog es nach Berlin, Kobi ging mit und fand sein Zuhause, wo er sich auch heute noch wohlfühlt. Zunächst in Schöneberg - der Bezirk war damals noch lebendiger, lauter, bunter und gefährlicher, als er es heute ist. Dort ist er zur Schule gegangen und im Verlauf der Gymnasialzeit durch seinen Freundeskreis auf Hip Hop gestoßen und damit weiter gewachsen. Er liebte seine Crew und die Freestyle Sessions, hatte viel vor, war viel unterwegs. Das "eigentliche Leben" mit Uni und Job geriet dabei oft in den Hintergrund, aber wen kümmert das...



2006 gab es dann eine bedeutende Begegnung: Kobito  lernte den Rapper Refpolk kennen und schrieb mit ihm zusammen erste Songs. MisterMo, mit dem Kobi schon sein erstes Album aufgenommen hatte, stieß dazu und so wurde 2007 die Band „Schlagzeiln“ gegründet. Die Formation ist rückblickend sicherlich als einer der Wegebereiter für linkspolitischen Rap zu bezeichnen. Etwas ins Leben zu rufen und zu festigen, andere davon zu überzeugen, dass man das Richtige tut - das waren nicht nur einfache Zeiten. 




Ebenso kennen und lieben gelernt hat Kobito die Berliner Rapperin Sookee. Gemeinsam starteten sie das Projekt „Deine Elstern“ und landeten mit „Augen Zu“ Ende 2010 einen Hit, der ganz neue Türen aufstieß. Plötzlich fanden sich auf Shows nicht mehr ausschließlich Antifas und Skater ein, sondern eine breitere Masse lernte Kobito schätzen.

Doch nach all den Projekten und Kollaborationen wurde in ihm der Wunsch lauter, eigenständig etwas auf die Beine stellen. Mit dem Album „Zu Eklektisch“ wagte er 2011 einen  Schritt in Richtung Unabhängigkeit. So sehr er das zu schätzen weiß, was ihm seine Crews bringen („Augen zu“ ist nach wie vor einer seiner Lieblingssongs), so schön ist es auch, sich freizustrampeln von den Begrenzungen, die Zusammenarbeiten unwiderruflich mit sich bringen. Einfach alleine das machen zu können, was einem im Kopf herumschwirrt.


Mit „Blaupausen“, seinem aktuellen Album, will er das ausbauen, was er an Erfahrungen vom Release mitgenommen hat. Die Musik ist noch emotionaler,  noch durchdachter. In Gegenwart von Politrap-Kollegen wie Captain Gips und Johnny Mauser fühlt er sich zweifelsohne zu Hause - und so ist er doch wieder beim Crew-Gedanken gelandet, denn nichts anderes ist die große Audiolith-Familie.
Die Quintessenz allen Schaffens von Kobito lässt sich herunterbrechen auf einen Slogan: 

Wenn du tust, was du liebst und es klingt, wie du bist. 

Diese Leidenschaft spürt in jeder einzelnen Faser seiner Songs. Herzblut ist der Antrieb, der ihn immer weitermachen lässt, und der ihn dorthin gebracht hat, wo er heute ist. 

„Blaupausen“ ist kein explizit politisches Album und doch sehr aussagekräftig, lässt keinen Zweifel daran, aus welcher Richtung der Wind bläst und lässt dem Zuhörer doch genug Spielraum, um nicht erdrückt zu werden. Leere Phrasen sucht man vergeblich und doch gelingt es Kobito, nicht oberlehrerhaft aufzutreten und zudem das intellektuelle Niveau gleichzeitig aufrecht zu erhalten.
Klar, nicht jeder der 13 Tracks ist ein Tophit, aber mehr als die Hälfte der Songs läuft bei mir mittlerweile auf Heavy Rotation, wobei der Titeltrack,  „Lass Dich Fallen“ und „Hoffnung“, eine Kollaboration mit Mal Éléve von den großartigen Irie Révoltés aus Heidelberg, aus meiner Sicht herausragen.

In einem Business, das von der dicken Hose regiert wird, hat Kobito sich seinen eigenen Platz gesucht, wo Emotionen und Träumereien erlaubt sind. Wenn es das Genre Rapper/Songwriter noch nicht gibt, sei es hiermit für Kobito erfunden. Auf „Blaupausen“ finden sich die ehrlichsten und authentischsten Songs, die er bislang geschrieben hat. Thematisch ist von Liebesliedern über sozialkritische Songs bis hin zur Suche von Identität und Glück alles dabei.


Musikalisch befreit sich Kobito erneut von Genregrenzen - Vielschichtigkeit ist das Stichwort. Er nutzt den Platz zwischen den Stühlen bestmöglich aus. Die Musik spricht viele Sprachen und diesmal dürfte möglicherweise sowohl für den Gangster, als auch für Omi im Schaukelstuhl was dabei sein. Während Kobito in "Lummerland" ruhig über eine Piano-Melodie rappt, kommen bei "Niemals Arm" ganze Bläsersätze zum Einsatz und unterstreichen kraftvoll die Message. Musik und Text ergänzen sich generell perfekt. Was Kobito mit der Sprache transportieren will, wird vom Sound unterstützt. Ein Beispiel: Wenn Kobito vom „Sonnenlicht“ spricht, dann hört man es fast aus den Boxen funkeln. Unmöglich? Tja. Hört es euch an. 

Kobito schafft es auf jeden Fall, ein Album zu präsentieren, das Klischees außen vorlässt, das es gar nicht nötig hat, durch Kraftausdrücke zu provozieren und das mich durch seine herausragenden Texte zu keiner Zeit veranlasst hat, von so fachmagazinspezifischem Müll wie Flow, Beats oder Cuts zu schreiben. Danke dafür!

„Meine Freude wird zu deiner Freude. Lies mich.
Alles ergibt Sinn. Blaupausen für dich.“




Montag, 12. Mai 2014

Trouble Orchestra – Mit diesem Debut bleibt es für immer „Heiter“

(ms) Crossover. Das war 90er. Das war die Verbindung aus HipHop und Metal beziehungsweise Hardrock. Die Sternstunden dieser Musikexperimente sind längst Geschichte und eventuell ist das auch besser so. Dominierend wurde englisch gesungen, denn auf Deutsch hat das Ganze nie wirklich gut funktioniert und war dementsprechend nicht so erfolgreich.

Quelle: audiolith.net
Was haben sich die sechs Hamburger von Trouble Orchestra denn wohl gedacht als sie im Studio an ihrem Debut bastelten, „Crossover ist tot, lange leben Crossover“?! Das ist eher unwahrscheinlich. Denn hier wird nicht an alte Zeiten angeknüpft sondern etwas Frisches, Neues erschaffen, das kracht, laut und intelligent ist. In Zeiten, wo bei Musik praktisch alles möglich ist, wird die Verbindung aus harten Riffs, Indie und Sprechgesang als ganz selbstverständlich genommen und umgesetzt. Funktioniert das, brauchen wir das, geht das gut?!
Aber hallo! Und wie gut das funktioniert.


Insgesamt kann man andeutungsweise sagen, dass hier eine Mischung aus Madsen, Turbostaat, Escapardo und Kraftklub zu hören ist. Nur eben mit Rap. Aber hier will keiner nach Berlin. Die Hanseaten haben „Heiter“ in Leipzig produziert und schmeißen es via Audiolith am Freitag auf den Musikmarkt.
Es sind zehn Songs, die in gut einer halben Stunde abgefeuert werden. Mit Drang nach vorne, mit viel Druck, mit sauberen, harten Riffs, viel Emotion, Gesellschaftskritik von links und hörbar viel Spaß an der Abwechslung der Rap-Parts von Johnny Mauser und Phurioso und dem Gesang von Jakob, der zugleich an der Gitarre steht. Jonas, Kralle und Sjard ergänzen das Sextett mit Gitarre, Bass und Schlagwerk.
Sofort ins Ohr geht „Heiter“, denn hier ist öfter Samstag und so herrlich davon entfernt sich so zu verhalten, wie es Ü30 erfordert. „Graupausen“ beschreibt das oft trübe Bild der (Innen-)Städte, wo doch hin und wieder Farbkleckse Platz finden; da kommt einem schnell Banksy ins Gedächtnis. „Stadt am Meer“ ist eine wunderbare Ballade, die dem Mix von Band und Album bestens entspricht. „Angst“ beschreibt eben jenes Gefühl mit einer guten Verbindung aus dramatischem Text und dichtem Sound. „Menschen“ erinnert vom Riff her schnell an Street Sweeper Social Club, der Band von Tom Morello und Boots Riley, setzt sich aber mit der Demonstrationskultur und Polizeikritik auseinander.




Und fast ist „Heiter“ schon vorbei. Doch um es genau zu verstehen, sei jedem geraten, die Platte mehrere Male durchzuhören, denn sie wird immer besser, auch die hohe Textdichte ist nicht beim ersten Hören aufzusaugen.
Trouble Orchestra, letztes Jahr die erste eigene Tour, jetzt nach einer 7“ das ganze Album, das hoffentlich viel Aufmerksamkeit bekommt, denn genau das hat die Band verdient.
„Heiter“ erscheint am 16. Mai via Audiolith.
Die Band ist hier live zu sehen:

16.05. Berlin - Badehaus
17.05. Hamburg - Knust
24.05. Lüneburg - Sonar Festival
31.05. Nürnberg - Fight Back Festival
20.06. Weimar - Gerber3
21.06. Merkers - Rock am Berg Festival

Sonntag, 4. Mai 2014

Supershirt - "Der vierte Affe" lädt zum Denken und Tanzen ein!


(ms) Was kostet die Welt? 8000 Mark, meinen Supershirt. Und auf genau diese Aussage werden sie (leider) zu oft reduziert. Denn neben diesem Kracher aus dem Jahre 2009 (immerhin fünf Jahre ist das her), haben die drei Berliner viel, viel mehr zu bieten. Allerhand verschrobene, kluge und unterhaltsame Texte, die sich meistens nach dem fünften Hören und dritten Durchlesen erst ganz erschließen aufgrund der Tiefe, die dahinter steht. Alkopop aus Berlin. Electro-Pop von Audiolith!


Doch kein neues Album steht in den Startlöchern. Sondern eine EP. Extended Play. Eigentlich ist dies immer ein Mittel von Bands, um die Zeit zwischen zwei Alben mit bereits vorhandenen Songs zu füllen. Hier wird aber alles anders gemacht. Die Intention: Musik um der Musik Willen. Einfach Bock auf neue Sachen. Und gleichzeitig werden Grenzen gesprengt. Denn „Der Vierte Affe“, so der EP-Titel, erscheint als gelbe 12“ mit einem dazugehörigen Buch, das die Songtexte vertieft. Ebenso gibt es keine CD zu erwerben, aber alles als Download. Vinyl verkauft sich ja wieder wie geschnitten Brot, wer braucht da noch eine CD?!

Doch was zur Hölle soll der vierte Affe sein? Oder wer? Ein possierlicher Silberrücken? Tierschutz, oder was? Nein, wieder mal weit gefehlt. Es ist eine Einstellung, die die Band vermitteln will. Eine Utopie, eine verheißungsvolle Sehnsuchtsvorstellung. Eine zu erreichende Möglichkeit neben „nichts gesehen“, „nichts gehört“, „nichts gesagt“. Das ist moderne Philosophie in knallharte Beats gepackt!

Quelle: audiolith.net
Die Wahlberliner beleuchten dabei Orte, die jeder will aber scheinbar unerreichbar klingen in dieser wahnsinnig schnellen Internetwelt. „Aurora Borealis“, das Polarlicht: „Ein weißes Reh, das sich in unsere Richtung bewegt“. Der Opener schwingt kopfnickend und sanft durch die Lüfte. Mit „Kiez und Kneipe“ geht es weiter. Und der Titel hält was er verspricht. Wo sind die schönen Eckkneipen, wo man den Wirt und die Stammgäste kennt? Die Innenstädte werden mit Ketten zugepflastert und das Bier schmeckt ja auch überall gleich. Hier wird ein Zeichen dagegen gesetzt. In Zeiten der Esso-Häuser und der Schließung des Molotow auf der Reeperbahn und den Problematiken um das Gebäude 9 in Köln ist dies die Hymne gegen die Gentrifizierung! Freunde des Hamburger Labels werden den Smashhit „H.Y.P.E“ schon von dem Geburtstag-Sampler kennen und verdient durch ein zweites Release doppelte Aufmerksamkeit. Mit Bläsern, Schlagwerk und ordentlich Gitarre kann man spätestens hier nicht mehr still sitzen bleiben. Alle sechs Songs haben es in sich und beanspruchen durch sich eine intensive Auseinandersetzung. 

Natürlich geht es bei Supershirt-Konzerten derbe ab! Sie hinterlassen verschwitzte Clubs und ein Pfeifen im Ohr. Aber Henry, Hendrik und Marco wollen mehr; das spürt man eindeutig. Nicht nur Party, sondern auch mal die grauen Zellen arbeiten lassen. Mit der EP unterstreichen sie diesen Anspruch, wollen auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen. Man muss nicht jeden Scheiß mitmachen, sondern kann sich dieses kleine Kunstwerk aus Vinyl und Buch gerne mal leisten. Ein scheinbarer Anachronismus, aber mit Zeilen, die haften bleiben und Rhythmen, die Bock auf das nächste Konzert machen!

„Der vierte Affe“ erscheint am 9. Mai via Audiolith.
Live sollte man sich das hier antun:

09.05.2014: Leipzig, Werk2
28.05.2014: Hannover, Café Glocksee
30.05.2014: Darmstadt, Schlossgrabenfest
31.05.2014: Bad Aibling, SORFestival
03.06.2014: Ilmenau, Universität
04.06.2014: Dresden, Scheune
05.06.2014: Chemnitz, Atomino
06.06.2014: Jena, Kassablanca
07.06.2014: Hamburg, Molotow
08.06.2014: Flensburg, Dockyard Festival